Liebe Leserinnen, liebe Leser,
folgende Rezension erschien 2015 bereits auf der Verbraucherplattform
Ciao.de. Leider gibt es Ciao.de nicht mehr als Verbraucherplattform. Deswegen
gehe ich durch alte Rezensionen und überarbeite sie für den WordPress-Blog. So
auch diese hier.
Unsere Bücherei hier im Ort hat es sich seit einigen Jahren
zur Aufgabe gemacht, einige neue Bücher, die man zum Ausleihen angeschafft hat,
während eines Abends im Oktober vorzustellen. Eines der Bücher, das präsentiert
wurde, war
Der Tag, an dem der Goldfisch aus dem 27. Stock fiel
Die Dame, die das Buch vorstellte, lobte es in den höchsten
Tönen. Sie hatte dieses Buch gern gelesen. Deswegen wollte auch ich es
unbedingt lesen. Noch am selben Abend lieh ich mir das Buch aus der Bücherei
aus. Ich habe es zu Ende gelesen und meine Meinung in diesen Bericht gepackt.
Kurzinformationen zu diesem Buch:
Autor: Bradley Somer
Erscheinungsdatum in Deutschland: 12. März 2015
ISBN-Nummer: 978-3832197834
Verlag: DuMont-Buchverlage
Das Buch ist als Paperbackausgabe (Klappenbroschur)
erschienen und kostet im deutschen Buchhandel
14,99 Euro.
Über Bradley Somer
Bradley Somer ist ein australischer Autor, der in Kanada
aufwuchs. Er schrieb bereits Erzählungen und einen Roman, der einen Preis
bekam.
„Der Tag, an dem der Goldfisch aus dem 27. Stock fiel“ ist
sein zweiter Roman.
Leseprobe
Eine vom Verlag genehmigte Leseprobe findet man beim
Online-Versandhändler „Amazon“. Einfach den Buchtitel dort suchen und dann
„Blick ins Buch“ anklicken. Schon hat man die Möglichkeit, einige Seiten des
Buches lesen zu können.
Als Ian, der Goldfisch, aus dem 27. Stock fiel (Handlung,
Teil 1)
Das Hochhaus „The Seville On Rocky“ hat 27 Stockwerke und steht
irgendwo in einer Großstadt. Welche Großstadt das ist, verrät das Buch nicht.
Der Leser erfährt nur kurz, dass man dort mit der Währung „Dollar“ bezahlt. Ob
es sich hier um US-amerikanische, kanadische, neuseeländische, australische
oder andere Dollar handelt, ist unklar.
Ian, der Goldfisch, gehört Connor, der im 27. Stock dieses
Hauses wohnt. Im ersten Kapitel fliegt Ian aus einem Fenster von Connors
Wohnung. Ian segelt in die Tiefe. Dabei denkt er nach über das, was er sieht.
Und er wechselt mehrfach seine Lage – was vom Autor mit Hilfe von
physikalischen Gesetzen begründet wird. Ian bekommt einige Details der
Ereignisse hinter den Fenstern dieses Hochhauses mit.
Ob und wie Ian am Boden ankommt, ist bis zum Schluss nicht
klar. Denn der Autor streut die Kapitel, in denen Ian fällt, immer wieder nach
anderen Handlungen ein. Es gibt also mehrere Kapitel, die sich mit Ians Fall
aus dem Hochhaus befassen.
Über eine schwangere Frau, einen defekten Aufzug, eine
Beziehungskrise und andere Ereignisse (Handlung, Teil 2)
In den Kapiteln, in denen es nicht um Ian, den Goldfisch,
geht, erzählt der Autor einerseits Ereignisse aus dem Leben verschiedener
Personen, die im Hochhaus „The Seville on Rocky“ wohnen. All diese Ereignisse
passieren an einem einzigen Tag:
Jimenez ist Hausmeister des Hochhauses „The Seville On
Rocky“. Er wohnt im Keller, ist alleinstehend und fühlt sich oft einsam. In
seinem Job kümmert er sich um technische Probleme, die im Hochhaus auftreten
können. Eines Tages fällt der Aufzug aus und viele Leute müssen die Treppen
benutzen, wenn sie zu den Stockwerken hinauf- und hinuntersteigen wollen. Das
ist unangenehm – aber was wollen die Leute machen? Jimenez weiß nicht genau,
wie er den Aufzug wieder zum Laufen bringen soll – er fummelt mit seinem
Werkzeug an diversen Komponenten am Fahrstuhl herum und gerät auf einmal in
eine brenzlige Situation…
Katie liebt Connor, der im 27. Stock wohnt. Und deswegen hat sie ihm den Goldfisch Ian
geschenkt, weil sie denkt, dass Ian Connor über den Verlust seines Hundes, der
schon einige Jahre zurückliegt, helfen könnte. Katie ist lange der Ansicht,
dass Connor sie auch liebt. Dabei betrügt Connor Katie mit Faye. Faye ist
hübsch, aber ihr Interesse an Connor ist nicht allzu groß – denn außer ihm hat
sie noch zwei weitere Liebhaber. Sie hat gerne Sex mit Connor, wenn Katie nicht
da ist.
Eines Tages erkennt Connor, dass Katie seine absolut große
Liebe ist. Aber hat er noch eine Chance, sie zu erobern? Am selben Tag begegnen
sich nämlich Katie und Faye im Treppenhaus des Hochhauses „The Seville On
Rocky“. Der Aufzug ist kaputt. Faye steigt von Connors Wohnung aus nach unten,
Katie steigt nach oben – sie will Connor besuchen. Als sie Faye erblickt,
bemerkt sie, dass sie ihr (Katies) Schlafshirt trägt. Dieses Shirt hatte Katie
vor einigen Tagen in Connors Wohnung liegen lassen. Katie ahnt schnell, dass
Connor eine Liebesaffäre mit Faye hat. Sie will Connor zur Rede stellen…
Claire ist eine junge, sehr ordentliche Frau mit einem
„absoluten Reinlichkeitsfimmel“. Da sie schon Angst hat, sich Bakterien
einzufangen, wenn sie nur in einer Buchhandlung Buchrücken anfasst, bleibt sie
meistens in ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung. Sie lebt bescheiden und lässt sich sogar
ihre Lebensmittel ins Haus liefern.
Ihren Job kann sie von zu Hause aus am Computer ausüben. Denn sie ist
für eine Firma als Telefonistin tätig, die Telefonsex bietet. Eines Tages
jedoch kommt sie in eine außergewöhnliche Situation, die sie zwingt, einige
ihrer Gewohnheiten und Lebensgrundsätze über den Haufen zu werfen…
Hermann lebt mit seinem Großvater in einer Wohnung. Seine
Eltern und seine Schwestern sind bei einem Autounfall gestorben. Nachdem
Hermann in der Schule gemobbt wurde, hat der Großvater beschlossen, ihn zu
Hause zu unterrichten. Eines Tages jedoch scheint es dem Großvater nicht gut zu
gehen – und Hermann wird ohnmächtig auf dem Gang in einem der Stockwerke. Er
wird immer ohnmächtig, wenn sein Leben zu stressig wird.
Petunia Delilah ist schwanger. Sie und ihr Freund Danny
werden zum ersten Mal Eltern werden. Fünf Tage vor dem errechneten
Geburtstermin fangen bei Petunia starke Wehen an. Dummerweise ist der Akku
ihres Handys leer, und sie kann weder ihre Hebamme, noch Danny erreichen. Sie
sucht Hilfe in den Nachbarwohnungen, weil ihr Baby es mit der Geburt plötzlich
sehr eilig hat…
Garth ist Bauarbeiter. Er ist der Kollege von Danny (dem
Freund von Petunia Delilah). Ein großes Hobby, von dem er niemandem erzählt,
ist, dass er sich zu Hause gerne schicke Frauenkleider anzieht. An dem Tag, an dem
Petunia Wehen bekommt, bekommt Garth ein eingepacktes Päckchen. Voller
Vorfreude rennt er die Treppen hinauf in seine Wohnung im 25. Stock, da der
Aufzug im Hochhaus kaputt ist. Völlig
aus der Puste kommt er oben an und kann endlich sein Päckchen auspacken…
Schreibstil
Das Buch ist aus der Warte des auktorialen Erzählers (kein
Ich-Erzähler) im Präsens (Gegenwart) geschrieben.
Der Schreibstil ist ausschmückend – poetisch, manchmal sogar
philosophisch. Beispielsweise, wenn der Goldfisch Ian beim Fallen daran denkt,
dass er gemacht ist, um die Welt zu erkunden. Ian erkennt beim Fallen vieles,
was ihm vorher – als er noch im Goldfischglas herumschwamm – nicht aufgefallen
ist.
Der Schreibstil ist aber auch immer wieder
ironisch-humorvoll. So wird einmal der Boiler, der warmes Wasser produziert,
mit dem Hausmeister Jimenez verglichen. Beide, der Hausmeister und der Boiler,
sind gleich gut: sie sind beide zuverlässig, sie hausen beide im Keller – und
sie sind beide sehr einsam.
Meine Meinung/Leseerfahrung zu diesem Buch
Das Buch fängt sofort interessant an – ich lese von Ian, dem
Goldfisch, der vom 27. Stock des Hochhauses „The Seville On Rocky“
hinunterfällt. Natürlich will ich wissen: Kommt Ian heil unten an? Oder prallt
er unten am Straßenpflaster auf und stirbt dann?
„The Seville On Rocky“ – was ist das nur für ein langer Name
für ein Haus? Zum Glück erspart uns der Autor meistens merkwürdige Namen – bis
auf den Namen Petunia Delilah, den ich merkwürdig, altmodisch und umständlich
finde. Die Personen in dem Buch heißen sonst Katie, Connor, Faye und so weiter.
Einige Zeit habe ich brav Kapitel für Kapitel in der vom
Autor bestimmten Reihenfolge gelesen. Manchmal fand ich es schon blöd, dass
einige Kapitel mit einer Art „Cliffhanger“ – also einem offenen Ende –
aufhörten und ich auf die Fortsetzung dieser Kapitel erst einige Seiten warten
musste. Für mich waren es oft ZU VIELE Seiten, auf denen sich die Handlung mit
anderen Personen befasste .
Bei der Handlung über Petunia Delilah war meine Neugierde
nach ungefähr 100 Seiten so groß, dass ich plötzlich alle Kapitel suchte, in
der sie vorkam, und sie hintereinander weg las. Ich wollte unbedingt wissen:
bringt sie ihr Baby auf die Welt – und wenn ja, ist es gesund? Wer wird ihr
helfen, wenn sie ihren Mann und die Hebamme nicht erreichen kann? Diese Seiten über Petunia Delilah, ihr Baby
und alles Drumherum fand ich so spannend, dass ich beim Lesen alles um mich
herum vergaß.
Die Kapitel über Petunia Delilah konnte ich leicht finden.
Denn der Autor leitet seine Kapitel nicht nur mit der Kapitelnummer und dem
Wort „Kapitel“ ein, sondern er gibt auch kurze Informationen, worum
es in dem jeweiligen Kapitel geht. So erfährt man, bevor man beispielsweise das
Kapitel 31 gelesen hat, dass es darin um Jimenez geht, der sich fein macht und
sich einduftet.
Interessant fand ich auch alle Ereignisse rund um Katie,
Connor und Faye. Connor ist absoluter Schuft und beim Lesen dachte ich oft:
„Hoffentlich macht Katie mit ihm Schluss und fällt nicht wieder auf ihn
herein!“ Faye scheint zwar hübsch zu sein, aber sie ist vom Charakter her sehr
oberflächlich. Das machte sie mir ziemlich unsympathisch.
Claire und Hermann fand ich am Anfang des Buches wenig
interessant – aber diese Figuren entwickeln sich im Laufe der Lektüre zum
Positiven. Und zum Schluss habe ich sie wirklich bewundert.
Garth und Jimenez sind sympathisch – wobei ich die Tatsache,
dass Garth gerne Frauenkleider trägt, ziemlich schräg finde. Damit kann ich
mich nicht zu hundert Prozent anfreunden.
Das Buch ist immer wieder etwas offenherzig – gerade, wenn
es um Connors Sexleben geht. Das hat mich nicht gestört.
Ian – der Goldfisch – ist der „rote Faden“ in dem Buch.
Vielleicht ist er ein Symbol dafür, dass viele Menschen in einem engen Goldfischglas
leben, aus dem sie sich befreien sollten.
Als Leserin hatte ich immer wieder den Eindruck, dass Ian in
Zeitlupe fällt – weil es einige Kapitel gibt, die seinen Fall zum Thema haben.
Diese Kapitel lesen sich eher wie Berichte und nicht wie eine Romanhandlung.
Denn der Autor malt sich oft aus, was Ian gerade denken könnte, in welcher
Position sein Fischkörper wann herunterfällt, an welchem Stockwerk des
Hochhauses er gerade vorbeifällt und welcher Bewohner dort ihn sehen könnte.
Aber was sieht Ian überhaupt – was nimmt er wahr, wenn er
fällt? Den Himmel, die Sonne, das Wetter, diverse Gestalten hinter den
Fenstern? Das ist wohl ein Fall für einen Biologen – oder eine reiche Fantasie
des Autors.
Der Autor nutzt Ians Fall ebenfalls dazu, dem Leser bei
manchen Stockwerken mitzuteilen, wer dort wohnt und wer einmal dort gewohnt
hat.
Mein Fazit
„Der Tag an dem der Goldfisch aus dem 27. Stock fiel“ ist
ein lesenswerter Roman über verschiedene Personen, die in einem 27-stöckigen
Hochhaus wohnen, sondern er mutmaßt auch, wie es einem Goldfisch gehen könnte,
wenn er 27 Stockwerke tief hinunterfällt.
Die Ereignisse rund um manche Personen fand ich sehr
lesenswert, andere Geschichten haben mir weniger gefallen. Darüber hinaus waren
mir die Seiten bis zur Auflösung einiger Cliffhanger zu viel. Deswegen ziehe
ich einen Stern ab.
Ich vergebe dem Buch „Der Tag, an dem der Goldfisch aus dem
27. Stock fiel“ also vier von fünf Sternen und empfehle es zum Lesen weiter!